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Jede Veroeffentlichung der Fotos meiner Arbeiten setzt mein Einverstaendnis voraus.

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Unangenehmes Geld

 Ohne Geld zu leben, wer täte das nicht gern. Macheiner der mich arbeiten sieht, meint ich würde wohl recht gut verdienen. Ein Portrait in einer halben Stunde, in acht Stunden 15 Portraits, 75 Portraits in der Woche..........

Unsinn. Wer mich arbeiten sieht, bemerkt mich nur deshalb, weil ich gerade beschäftigt bin und ein Kreis Zuschauer mich umzingelt. Wenn ich nicht arbeite sieht er mich gar nicht. Wer nur dann kommt, wenn die Strassen voll sind, muß meinen, dass dieser Zustand permanent sei. Die Leute kommen in Zyklen und es gibt nicht viele Stunden am Tag, an dem die Menschen die Muße haben, sich in meinem Atelier niederzulassen. Alle kommen immer gerade dann wenn alle kommen.

Von Wetter und anderem Unbill beeinflußt bleiben auch nicht viele gute Tage in der Woche und im Monat. Zudem ist es grundsätzlich eine saisonbedingte Aktivität und die Zeit ausserhalb der Saison ist lang. Nur ein Künstler kann erfassen was es heißt, auf Strassen und Plätzen zu zeichnen und zu malen.

Das ist gar nicht so einfach wie es aussieht und unter dem Strich reicht es mir gerade zum Überleben.

 Ich habe noch nicht betteln müssen, weder auf der Strasse noch beim Sozialamt. Doch das Finanzamt geniert sich dennoch nicht sogleich die Hand aufzuhalten

 

Das Finanzamt

Die freundlichen Damen und Herren vom Finanzamt wollen immer gern so vieles wissen - was ausgesprochen lästig ist.  

Jedes Jahr mache ich brav meine Einkommensteuererklärung und doch sind sie nicht mit mir zufrieden. Sie wollen einen Nachweis aller meiner Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. So leid es mir tut, das Finanzamt kann von mir nicht erwarten, dass ich bei meinem nomadischen Leben eine Finanzbuchhaltung führe. Abgesehen davon, dass ich nicht immer alles mit mir herumschleppen mag, kann ich bei meinem Leben unmöglich zwischen Privatem und Betriebsausgaben unterscheiden.
Um mich zu zwingen meine Hausaufgaben zu machen, erhöht nun das Finanzamt willkürlich mein zu versteuerndes Einkommen und das verärgert mich.  

Schon vor über 30 Jahren habe ich die künstliche Trennung von Arbeit und Leben abgelehnt und niemandem ist es seitdem gelungen mich vom Gegenteil zu überzeugen.

(Allerdings ist es mir auch nicht gelungen das Finanzamt zu überzeugen.) 

Um mich zu erklären muss ich aber etwas weiter ausholen. 

Was uns allen als so normal und richtig erscheint war nicht immer so normal. In vorindustriellen Zeiten war das Leben gewiss nicht leicht. Das Leben war die Arbeit und die Arbeit das Leben. Die Zeugnisse aus jener Welt widerspiegeln sich  in der von uns noch heute so geliebten sogenannten klassischen Literatur. 
Die industrielle Produktion ermöglicht uns nun theoretisch mit wenig Arbeit gut zu leben. Doch warum will uns das einfach nicht so recht gelingen?  

 

Nun, weil es so schön ist mit einem Satz die Weltprobleme zu lösen, will ich den Gedanken etwas weiter spinnen.

 

Uns geht es, trotz all dem was wir erreichten und uns leisten können, doch nicht so recht gut, weil wir vergessen haben es einzuklagen. "Es ist nicht gut das der Mensch allein sei", sprach Gott, einst, als man noch auf ihn hörte. Es ist aber auch nicht gut, wenn die Paare allein sind, mit 1,3 Kindern.  Wer jetzt noch seine Arbeit verliert ist hoffnungslos Vereinsamt. Da hilft dann auch der Fernseher nicht mehr.

Als Leben und Arbeiten noch nicht so getrennt waren lebte mensch und arbeitete gemeinsam.

Die Verkürzung der Arbeitszeit hat allseits die Hoffnung geweckt nun endlich Zeit zum Leben zu haben. Denn irgendein Bösewicht hatte den Menschen erzählt das Leben beginne erst nach der Arbeit und alle haben es geglaubt. Im Gegenzug für die "freie" Zeit haben viele Menschen nun bei der Arbeit Lebensbedingungen akzeptiert, die in der Tierhaltung unter Strafe stehen. Wer traut sich heute noch den Anspruch zu erheben schon "während" der Arbeit zu leben.

Aber wenn wir dann nach Hause kommen beginnt das brausende Leben. Da wird gelacht und getanzt; die glücklichen Hobbyisten sitzen zufrieden in ihren Kellern und wer gerade nicht ins Theater geht, spielt mit seinen Kindern.
Vielleicht sollten wir lieber einen Blick in den Spiegel werfen anstatt in die Glotze zu schauen?

Wenn Arbeit nun nicht auch Leben ist, was ist dann "Arbeit"? Weder Jogger noch Schachspieler "arbeiten" auch wenn sie sich sehr anstrengen. Die rechte Definition von "Arbeit" stammt von Karl Marx: "Arbeit ist der Verkauf von Lebenszeit gegen Geld". So einfach ist das.
Und von dem Geld können wir uns dann Leben kaufen. 

In meinem Leben versuche ich nun, so gut ich kann, diese Logik zu durchbrechen. Ich arbeite nicht - ich lebe gleich. (wenn auch bescheiden. Wenn ich hie und da von meiner "Arbeit" oder meinen "Arbeiten" spreche tue ich das um verständlich zu bleiben.)

Unser Herr Minister der Finanzen mag diese Lebensweise aber gar nicht. Hartnäckig besteht er darauf "Betriebseinnahmen", "Betriebsausgaben", "Werbungskosten", "Sonderausgaben" aufzulisten. "Ausgeübter Beruf", soll ich eintragen. Ich habe keinen "Beruf". Künstler zu sein ist für mich kein Beruf!  Was ist "Beruf"? Für das Finanzamt ist "Beruf" die "Tätigkeit zum Zwecke des Gelderwerbes". Nach Meinung des Finanzamtes werde ich demnach erst durch den Verkauf meiner Bilder oder wenigstens durch die Verkaufsabsicht  zum Künstler. 

Nach, mittlerweile, eindeutiger Rechtsprechung in Deutschland, ist die künstlerische Tätigkeit d.h.: künstlerisches Schaffen und Verkauf, aber kein Gewerbe und nach Aussage des Bundesverfassungsgerichtes ist der Werkbereich des Künstlers in höherem Masse schützenswert als der Wirkbereich.  Zitat:"….deshalb sind staatliche Eingriffe um so weniger zuzulassen, je näher die umstrittene Handlung dem Kern der Kunstfreiheit zuzuordnen ist und je mehr sie sich im Bereich des Schaffens abspielt." 

Ebenfalls nach deutscher Rechtsprechung ist:" …unter Gewerbe eine selbständige, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf gewisse Dauer ausgeübte Tätigkeit im wirtschaftlichen Bereich………zu verstehen" 

Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs:"….Entscheidend kann nur sein, daß überhaupt und grundsätzlich eine schöpferische Gestaltung vorliegt, die die künstlerische Tätigkeit auszeichnet und damit wegen Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Rechtfertigung dafür ist, diese Tätigkeit von sonstiger auf Gewinnerzielung gerichteter, d.h. gewerblicher Betätigung abzusetzen." 

Nur bei der "Hausfrau" kommt die Logik des Finanzamtes dann wieder ins Schleudern. Es erkennt "Hausfrau" als Beruf an wie etwa: "Religionsangehörigkeit - keine". Beruf "Hausfrau" - gleich "keiner", denn es wird ja nicht zum Zwecke des Gelderwerbes getan und als solcher auch nicht versteuert. Obwohl bei Ehescheidungen das einst vom "Verdiener" versteuerte Geld sich als "gemeinschaftlich erwirtschaftetes Vermögen" sich zu gleichen Teilen auf die "Hausfrau" verteilt, die Hausfrau logischerweise mit ihrer Arbeit am Gelderwerb teilgenommen hat, muß sie nicht ihre Einnahmen und Ausgaben, ihre Werbungskosten darlegen. ( Die Werbungskosten der Hausfrau sind keineswegs mit den steuererklärten Werbungskosten des Verdieners abgeglichen)  

Bei der "Hausfrau", bei der ja Arbeit und Leben nicht diese künstliche Trennung erfahren hat, wäre es für das Finanzamt allzu kompliziert zwischen Beruf und Privatem zu unterscheiden und lässt es daher bleiben. 
Streng genommen lebe ich von meinen Werbungskosten. 

Ein Fallbeispiel:
Künstler zu sein ist mein Leben.  Wenn ich zum Beispiel nach Heidelberg fahre um einen Freund zu besuchen, so handelt es sich gewiss um eine Privatfahrt. Mein Freund, der mich beherbergt tut das gern und gratis. Da ich aber niemals ohne mein Material reise, entscheide ich im Platze aufzubauen und weil ein paar Amerikaner meine Portraits "wonderfull" finden, komme ich am Abend mit einem Zugewinn an Weinschorle und Geld zurück. Zum Abschied lasse ich meinen Freunden zum Dank ein Bild.

Und jetzt ist alles kompliziert geworden. Meine Privatfahrt nach Heidelberg hat sich durch meine Einnahmen plötzlich in eine Dienstfahrt verwandelt. Wo hab´ ich nur die Quittungen und Kassenbons gelassen? Der Kaffee an der Autobahn und die Stulle, alles abzusetzen? Wie war das noch mit Mehraufwand auf Dienstreisen? Die Weinschorle in der "Destille" kostet mehr als in der Weinstube in Bielefeld. Die Übernachtung "bezahlt" mit dem Bild?

Das Bild, das zuvor mir gehörte, ganz  persönlicher privater Ausdruck meines Gefühlslebens war, ist auf einmal zur Ware geworden; zur Bezahlung für Beherbergung. Und ich habe mir keine Quittung geben lassen. Welche Ausgaben hatte ich noch als ich das Bild malte? 

Ich kann meine Finanzamt-relevanten Ausgaben nicht berechnen. Das Finanzamt hat auch nicht das Recht auf diesem Wege mein ganzes privates Leben zu durchschnüffeln. 

In der Vorstellung der Finanzverwaltung steht offenbar der Wirkungsbereich des Künstlers im Vordergrund; d.h. Ausstellung und Verkauf der Arbeiten. Der Werkbereich, d.h. der Bereich in dem die Schaffung der Kunst stattfindet, interessiert sie deutlich weniger.

Nach dem Motto: "Wenn du mir keine Einkommensteuererklärung anbringst mit allen Nachweisen der Einnahmen, so setze ich dein zu versteuerndes Einkommen willkürlich in schwindelnde Höhe bis du´s lernst."

Von der Sachbearbeiterin am Finanzamt wurde mir aufgegeben ein Büchlein zu führen, in das ich alle meine Einnahmen eintragen solle. So einfach ist das fürs Amt. Den Nachweis meiner Ausgaben ist ja schließlich mein Bier. Je weniger ich nachweisen kann, desto mehr kann versteuert werden. 

Es kann nicht die Aufgabe staatlicher Organe sein, durch willkürliche Hochschätzung eines zu versteuernden Einkommens den reisenden Künstler aus der Sicherheit staatlicher und sozialer Absicherung in die Illegalität und in die soziale Unsicherheit zu drängen. 
Meine Einnahmen sind bescheiden.
Seit über 25 Jahren habe ich keine Ferien  und keine Urlaubsreisen mehr; nur Dienstreisen. (Nur auf Besuch in Dresden 1984 und in Berlin Ost, da haben die Vopos mich nicht "arbeiten" lassen.)  

Ich bin nicht deshalb ein Künstler, weil ich meine Bilder Verkaufe, statt sie zu verschenken. Und wenn ich kein einziges verkaufte und durch Betteln mein Brot verdiente, wäre ich doch immer ein Künstler. Es geht nicht darum mich der Steuerpflicht zu entziehen sondern darum gerecht besteuert zu werden.

Ich kann nicht den Nachweis aller meiner "Einnahmen" und "Ausgaben" führen.  Jemand der Leben und Arbeit trennt, lässt das Finanzamt in die Karten seines Berufslebens schauen. Ich dagegen müsste dem Finanzamt  mein ganzes Privatleben anvertrauen. Ich müsste angeben mit wem ich reise, bei wem ich unterkomme, wo ich mich Tag für Tag bewege.

In Europa haben wir "1984" weit hinter uns gelassen; nicht nur im Datum. Die totale Kontrolle hat Ausmaße erreicht die George Orwell sich nicht hat ausmalen können. Der einzige Grund weshalb wir es nicht so recht spüren, ist die totale Abwesenheit einer Bewegung, die die herrschende Clique herausfordert. Eine Bewegung wie in Tunesien oder Ägypten wäre hier im Keime erstickt worden.
Es ist ständig schwerer ohne Handy zu leben. Die ex Stasi-Generäle schauen heute neidisch auf die Informationsflut des Verfassungsschutzes. Twitter und Facebook werden in den Medien als die Stützen der demokratischen Gesellschaft gefeiert.
Kaum zu glauben, aber ende der 70er Jahre hatte die Rasterfahndung des Verfassungsschutzes in Deutschland, noch international für Aufsehen gesorgt. Der Schutz der Privatsphäre war damals der Grundstein demokratischer Freiheitsrechte.

Ein Archiv wie Facebook und Twitter hatte sich nicht einmal der KGB zu seinen besten Zeiten träumen lassen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Könnte ich alle meine Ausgaben belegen, würde ich dem Finanzamt ein lückenloses Bewegungsbild meines Lebens übermitteln. Jetzt fehlt nur noch dass mir das Finanzamt versichert meine Daten seien geheim.

 

 

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